Claus Tröger

Claus Tröger: NATHAN DER WEISE

Nathan der Weise | Dramatisches Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing


| LANDESTHEATER NIEDERBAYERN (Landshut/Passau/Straubing) – Saison 2018/19
| Premiere: 02. November 2018

| Regie: Claus Tröger, Bühnenbild & Kostüme: Andreas Lungenschmid
| DarstellerInnen: Julian Ricker, Katharina Elisabeth Kram, Joachim Vollrath, Mona Fischer,
  KS Ursula Erb, Stefan Sieh, Reinhard Peer, Olaf Schürmann, Klemens Neuwirth


Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Kein Mensch muss müssen.

Jerusalem – Heimat der drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam. Hier lebt der jüdische Kaufmann Nathan.

Vor Jahren wurden bei einem Pogrom seine Frau und seine Kinder getötet. Mittlerweile lebt er glücklich mit seiner Zieh­tochter Recha und deren Erzieherin Daja.

Als er von einer Reise zurückkehrt, erfährt er, dass Recha bei einem Brand nur durch das beherzte Eingreifen eines christlichen Tempelritters gerettet worden ist. Recha verliebt sich in ihren Retter und auch dieser muss zugeben, dass er für die junge Jüdin Gefühle entwickelt.

Um das Paar herum entspinnt sich ein religiöses Drama: Nathan kann nicht vergessen, dass es Christen waren, die seine Familie getötet haben; der christliche Patriarch will den jungen Templer in seinen Intrigen gegen den muslimischen Herrscher Saladin benutzen, und Saladin selbst hat ein ganz eigenes Interesse an dem jungen Mann, denn er erinnert ihn an seinen vor langer Zeit verstorbenen Bruder.

In einer Stadt wie Jerusalem kann kein Problem privat bleiben; die Religion und die Frage, welche nun die einzig wahre ist, stehen immer im Mittelpunkt.
Fotos: Peter Litvai (Landestheater Niederbayern)
INTERVIEW mit Claus Tröger
(Philipp Seidel/Landshuter Zeitung, 02.11.2018)

Philipp Seidel: Herr Tröger, dieser Nathan ist ja fast übermenschlich humanistisch und tolerant. Welche Schwächen hat er eigentlich?

Claus Tröger: „Nathan der Weise“ ist ja die klassische Überschrift. Es ist unsere Überzeugung gewesen, den Nathan aus der Gegenwart zu betrachten. Ich glaube auch, dass der Titel „Nathan der Weise“ im Jahr 2018 nicht mehr ganz zutreffend ist. Unser „Nathan“ ist in der Realität dieser Gegenwart angekommen. Er ist ein Mann, der verletzlich ist, aber vor allem lernfähig. Aus diesem Umstand heraus schon müsste der Untertitel zu unserer Interpretation „Nathans Traum“ lauten. Auch aus Lessings Toleranzgedankens heraus.

Sie haben das ganze tatsächlich auch als Traum inszeniert?

Es ist der Grundgedanke der Inszenierung gewesen. Ja. Es ist der Versuch, aus unserer Gegenwart heraus eine Sichtweise für die Vergangenheit zu finden. Ich glaube aber auch, dass Lessings Toleranzanforderung in der Theorie steckengeblieben ist. Einer Verwirklichung sehen wir noch entgegen... – sofern man Optimist geblieben ist! Genau diese Spannweite interessierte mich, und diese versuche ich, zu erzählen.

Das Stück ist ja gültig, solange es religiöse Konflikte gibt...

...solange es also Menschen gibt!

Und man möchte diese Ringparabel – in der es um die Gleichwertigkeit der Religionen geht – doch eigentlich in die Welt hinausbrüllen. Wie sehr haben Sie das Stück auf diese Stelle zugeschnitten?

Die Figur des Nathan sagt in seinem Text selber, dass die „Ringparabel“ auch ein 'Märchen' sei. Das heißt aber auch, dass alles darüber hinaus Hoffnung ist. Aus dem Erzwingen des Herrschers Saladin heraus versucht Nathan, das 'Märchen der Ringparabel' zu formulieren. Aber ist es letztendlich nur ein Märchen, oder wäre es eigentlich die Weltenformel? – Die Antwort hat schon Lessing dem Zuschauer überlassen. Die Gemeinsam­keit, dieses Ziel zu erreichen ist so einfach, dass es fast zum Gelingen verurteilt sei...wäre da nicht die Hürde Mensch! Somit ein Blick auf unsere Gegenwart!

Ihr Nathan resigniert an der Welt?

Er resigniert insofern in der Erkenntnis, dass letztlich Worte nur Worte sind – also Theorie. Die Umsetzung in die Praxis funktioniert bis dato nicht. Das ist auch die vorläufige Erkenntnis, wenn man sich mit Lessings „Nathan“ auseinandersetzt. Aber ich bleibe diesbezüglich Optimist.

Es geht also der Appell vom Stück aus:
«Lebt, was ihr hier seht!»?


Das glaube ich schon. Toleranz beginnt ja bei sich selbst. Und das ist der Aufruf dazu, bei sich selber diesen Anfang zu setzen.

In dem Stück kommen sehr viele Zufälle zusammen: Sultan Saladin trifft – ohne ihn zu erkennen – den Sohn seines verschollenen Bruders; der Sohn hat nun zufällig Nathans Ziehtochter Recha vor dem Flammentod gerettet; und am Ende sind die beiden auch noch Geschwister. Im Film wäre es zu konstruiert. Warum verzeiht man es dem Stück trotzdem?

Natürlich ist das wahnsinnig konstruiert. Egal. Was Lessing zu dem Stück angetrieben hat, war ja ursprünglich seine Auseinandersetzung mit der konservativ-katholischen Kirche. Er bekam ja sogar von seinem Landesherrn ein rigoroses Schreibverbot zu diesem Thema. Lessing aber hat den Trick benutzt, die Auseinandersetzung über das Theater zu führen. Die Geschichte „Nathan“ selber (die relativ kompliziert erzählt ist) war nur Hilfsmittel, den grundsätzlichen Toleranzgedanken zu formulieren.

Geblieben sind für uns Regisseure und Regiseurinnen die großen Herausforderungen, in diesem Text Antworten zu entdecken, und u.a. einen Inszenierungsmoment für die berühmte „Ringparabel“ und den blauäugigen Stückschluss zu finden.


Die Ausstattung macht Andreas Lungenschmid, den man in Niederbayern noch gar nicht so kennt.

Andreas Lungenschmid ist ein österreichischer Ausstatter (aktuell in Berlin lebend), der in Salzburg studiert hat – und aus dieser Zeit kennen wir uns auch. Unter anderem hat er am Residenztheater in München und im Theater in der Josefstadt in Wien gearbeitet. Sein perfektionierter Stil für Gegenwartsszenerien hat uns immer wieder erfolgreich zusammenarbeiten lassen. Ich mag seine Ehrlichkeit in den Bildern.

Diesmal versuchen wir, über das Szenenbild Nathans Gegenwart darzustellen. Eine überdimensionale Mauer prägt dieses Bild – die abschreckende Mauer in Israel, am Gazastreifen; eine Mauer, mit der sich Israel von den Palästinensern abschottet. Das ist für mich auch eine Gegenwart, die in das Stück hineinspielt.


Da passt der Nathan leider perfekt.

Diese Alltäglichkeit war auch in den Proben immer wieder Thema. Wie gegenwärtig das grundsätzliche Problem im „Nathan“ ist, und wie sich die Situation seit der Entstehung des Lessing-Textes nicht verbessert hat, sondern eigentlich in großem Ausmaß eine Verschlech­terung stattgefunden hat. Darum finde ich es wichtig, dass man Lessings „Nathan“ nach wie vor spielt...auf unseren Bühnen spielen muss! Auch, weil dieses Thema die Jungen in unserer Gesellschaft betrifft. Es ist ihre Zukunft, über die wir hier berichten. Und es ist auch ein Aufruf an sie, selbst dafür aktiv zu werden. Meine Intention war es auch, dafür Bilder in der Inszenierung zu finden, die diesen Aufruf an die nächste Generation verdeutlichen.

PRESSE

Landshut aktuell (Michaela Schabel, 07.11.2018)

« (...) Spannende Inszenierung von „Nathan der Weise“. (...) Es ist der Verdienst des Landshuter Ensembles unter der Regie von Claus Tröger, dass Lessings „Nathan der Weise“ trotz der reichlich konstruierten, handlungsarmen Geschichte nach und nach eine ungeheure spannende Dynamik entwickelt. Claus Tröger vertraut dem Text, lässt die Schauspieler im reduziert expressiven Spiel die Ideen des aufgeklärten Humanismus entfalten und gleichzeitig hinterfragen. (...) Claus Tröger macht aus Saladin und Sittah, seiner Schwester, ein moslemisches schwarz gestyltes Partypaar, das zwischen inzestuöser Laszivität luxusverwöhnten Müßiggang, cooler Raffinesse und arabisch mafioser Machtprahlerei changiert. (...) eine bemerkenswerte Inszenierung, spannend gespielt. »


Landshuter Zeitung (Philipp Seidel, 05.11.2018)

« (...) Regisseur Claus Tröger hat Lessings „Nathan der Weise“ als Traum, als modernes Märchen auf die Bühne des Landestheaters Niederbayern gebracht. (...) sehenswert! (...) »
Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE Claus Tröger: NATHAN DER WEISE





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